EMS-Daten belegen: Impfung schützt auch gegen Infektion mit Delta-Variante sehr zuverlässig
Regelmäßig wird die Schutzwirkung der Corona-Impfung hinterfragt oder gar in Abrede gestellt. Aktuell wird als Argument dafür die steigende Anzahl an Impfdurchbrüchen herangezogen.
Warum diese Argumentation nicht stimmt, wollen wir in drei Schritten beleuchten:
- Diese Behauptungen lassen sich bereits mit einfachen Überlegungen entkräften.
- Schon die Gegenüberstellung von geimpften und ungeimpften Personen, sowie den Infektionen von geimpften und ungeimpften zeigt, dass die Impfung wirkt.
- Schließlich kann, mithilfe der Daten aus dem Epidemiologischen Meldesystem (EMS), die Impfwirksamkeit berechnet werden. Sie beträgt in Österreich, auf Basis der EMS-Daten, 78,5% (für mRNA-Impfstoffe, siehe [5] bei Anmerkungen & Einschränkungen).
Grafik 1 zeigt, was für einen Einfluss eine Impfwirksamkeit von 78,5% auf das Infektionsgeschehen hat. Während von jeweils 100.000 ungeimpften Personen 3.074 Menschen Covid-positiv getestet wurden, sind es in der Gruppe der geimpften Personen nur 662 je 100.000 gewesen. Geimpfte haben also ein deutlich geringeres Risiko.
Im Folgenden werden wir die drei Punkte Schritt für Schritt durchgehen und sehen, dass die Impfwirksamkeit auch für die Delta-Variante gilt.
Davor gehen wir jedoch noch kurz auf die notwendigen Definitionen und Datengrundlage ein.
Definitionen und Datenlage
Das Robert-Koch-Institut (Deutschland) definiert Impfdurchbruch, “wenn bei einer vollständig geimpften Person eine PCR-bestätigte SARS-CoV-2 Infektion mit Symptomatik festgestellt wird.” Dabei müssen seit der “letzten erforderlichen Impfdosis” mehr als 14 Tage vergangen sein (siehe [1] bei Anmerkungen & Einschränkungen).
Für eine Analyse braucht es also die Impfdaten (wer wurde wann geimpft) plus Daten zum Schweregrad der Erkrankung (asymptomatisch oder symptomatisch bzw. gar hospitalisiert). In Österreich werden im Epidemiologischen Meldesystem (EMS) alle bestätigten Covid-19 Fälle registriert (positiver PCR-Test), jedoch “ohne” Schweregrad der Erkrankung (siehe [2]). Im System wird daher nicht zwischen infizierten Personen ohne Symptome und erkrankte Personen mit Symptomen unterschieden. Daher kann mit diesen Daten nicht die Anzahl an Impfdurchbrüchen (nach obiger Definition) berechnet werden.
Allerdings lässt sich berechnen wie viele Leute mit und ohne Impfung positiv getestet wurden, sich also infiziert haben (siehe [3]). Diese Zahl beinhaltet auch die Symptomlosen und ist daher höher als die der Symptomatischen alleine. Andererseits besteht auch das Risiko eines Testbias durch den weniger Infektionen unter Geimpften entdeckt werden (Verzerrung des Tests; siehe [7]). Insgesamt erhält man jedoch eine Abschätzung für die Wirksamkeit der Impfung.
1) Mehr Impfungen bedeuten mehr Covid-Fälle unter geimpften Personen
Für das Grundverständnis hilfreich ist folgende, einfache Überlegung:
- Vor einem Jahr, also im November 2020, gab es noch keine Corona-Impfung. Zu diesem Zeitpunkt handelt es sich daher bei jedem entdeckten Corona-Fall (der im EMS protokolliert wird) um eine ungeimpfte Person. Impfdurchbrüche oder Infektionen von geimpften Personen sind daher nicht möglich.
- Angenommen eine Bevölkerung besteht hingegen nur (mehr) aus geimpften Personen. Das entspricht einer Durchimpfungsrate von 100% und ist die umgekehrte Situation von vor einem Jahr. In dieser Bevölkerung betrifft jede Covid-Infektion eine geimpfte Person.
- Betrachtet man also alleine die Zahl der Impfdurchbrüche, dann steigen diese klarerweise mit der Anzahl an geimpften Personen in der Gesamtbevölkerung.
Da keine Impfung 100%igen Schutz bietet, besteht auch für geimpfte Personen ein Restrisiko zu erkranken - bis zur Ausrottung einer Krankheit (wie es etwa bei den Pocken gelang). Dieses Risiko ist umso größer, je weiter verbreitet die Krankheit in der Bevölkerung ist. Österreich hat eine Durchimpfungsrate von 66% der Gesamtbevölkerung (voll geimpfte) und seit Wochen steigende Covid-Fallzahlen (Stand: 22.11.2021). Es liegt also auf der Hand, dass auch die Zahl der Infektionen unter Geimpften zunimmt.
Viel wesentlicher als diese (absolute) Anzahl an Infektionen Geimpfter ist daher die Frage: Was für einen Unterschied macht die Impfung? Oder anders gefragt: Wirkt die Impfung überhaupt und wenn ja, wie gut?
2) Die Wirksamkeit der Impfung …
Und bei dieser Frage wird es interessant. Denn hier ist die Situation nicht sofort offensichtlich - wie wir sehen werden.
Hinweis: Der Einfachheit halber bezeichnen wir Personen ohne abgeschlossene Impfserie als “ungeimpfte Personen”. “Geimpfte Personen” sind im Umkehrschluss jene mit abgeschlossener Impfserie (siehe [1]).
Dazu betrachten wir zuerst die Anzahl an bestätigten Infektionen unter ungeimpften und unter geimpften Personen. In Österreich sind 5,5 Millionen Menschen geimpft und 3,4 Millionen nicht. Es gibt also beinahme doppelt so viele geimpfte Menschen (grün) wie ungeimpfte (blau), wie in der Grafik (linke Seite) zu sehen ist. (Stand per 31.10.2021, siehe [4]).
Im Beobachtungszeitraum wurden in Österreich 146.979 Covid-19 Infektionen gemeldet. Davon betreffen 42.287 Fälle geimpfte Personen, während der große Rest an Erkrankungen (104.692 Fälle) ungeimpfte Personen betroffen hat (rechtes Diagramm).
Obwohl also fast doppelt so viele Menschen geimpft waren, betrafen fast 3/4 - die überwiegende Mehrheit - aller gemeldeten Fälle ungeimpfte Personen*! Die Impfung wirkt also. Wie gut genau, das lässt sich mit den EMS-Zahlen ausrechnen.
3) … mit Realzahlen berechnet
Der Impfschutz ist abhängig vom verimpften Wirkstoff. Der Einfachheit halber (siehe [5] & [8]) betrachten wir im Folgenden nur die beiden mRNA-Impfstoffe (Pfizer/BioNTech und Moderna). Diese beiden haben eine sehr ähnliche Wirksamkeit. Sie sind außerdem die am öftesten verimpften in Österreich: fast die Hälfte (49,9%) aller ÖsterreicherInnen sind damit geimpft (siehe Tabelle 1, Stand: 31.10.2021). Gemeinsam machen diese zwei Impfstoffe 80% aller Impfungen aus.
Bevölkerung gesamt | Ungeimpfte | Geimpfte gesamt | mit mRNA geimpft | |
---|---|---|---|---|
Absolut | 8.932.664 | 3.406.237 | 5.526.427 | 4.458.920 |
in Prozent | 100% | 38,1% | 61,9% | 49,9% |
Tabelle 1: Bevölkerung in Österreich nach Impfstatus, Stand 31.10.2021, Quelle: EMS
Die Impfwirksamkeit ist der Unterschied zwischen Infektionen von geimpften Personen im Vergleich zu ungeimpften. Oder, noch genauer: das Verhältnis der Infektionsquote bei Geimpften zur Infektionsquote der Nichtgeimpften.
Wir benötigen also die Infektionszahlen im Beobachtungszeitraum vom 1.September bis 31.Oktober 2021. Diese finden sich in Tabelle 2. Der Vollständigkeit halber sind sowohl alle Infektionen österreichweit (Gesamt) angeführt, als auch die für Geimpfte mit allen Impfstoffen.
Gesamt | Ungeimpfte | mRNA-Geimpfte | (alle Impfstoffe) | |
---|---|---|---|---|
Menschen | 8.932.664 | 3.406.237 | 4.458.920 | (5.526.427) |
Infektionen | (146.979) | 104.692 | 29.536 | (42.287) |
Infizierte in % | (1,65%) | 3,07% | 0,66% | (0,77%) |
und pro 100.000 | (1645) | 3074 | 662 | (765) |
Tabelle 2: Neuinfektionen nach Impfstatus in Österreich im Beobachtungszeitraum: 1.9.-31.10.2021, Quelle: EMS
In diesem Zeitraum haben sich 3,07% der nicht geimpften Bevölkerung mit Covid-19 infiziert und 0,66% der mit mRNA-Impfstoff geimpften. Die Prozentangaben bezeichnen das Risiko einer Infektion pro 100 Personen. Für Ungeimpfte ist das Risiko sich zu infizieren also 3,07 : 0,66 = 4,65 Mal so groß wie für Geimpfte. (In Prozent: Das Risiko ist für Ungeimpfte um 465% höher! Im Umkehrschluss ist das Risiko mit Impfung also um 0,66 : 3,07 = 0,215 kleiner als ohne Impfung. Das entspricht 21,5%.
Wenn das Risiko ohne Impfung zu erkranken unser Maßstab ist (100%), und die Impfung das Risiko auf 21,5% reduziert, dann hat die Impfung eine Wirksamkeit von 100% - 21,5% = 78,5%. Und genau so wird die Impfwirksamkeit berechnet:
$$Impfwirksamkeit = 1 - {Infektionsquote_{geimpft} \over Infektionsquote_{ungeimpft}}.$$
In unserem Fall ergibt sich daraus, mit der mRNA-Infektionsquoten von 0,66% und jener unter Ungeimpften von 3,07% (s. Tabelle 2), die
$$Impfwirksamkeit = 1 - {0,66 \over 3,07} = 78,50 \mathrlap{\it{/}}{^0}_{0}.$$
Der, aus den realen Fallzahlen in Österreich, berechnete Impfschutz beträgt daher 78,5% (für die beiden mRNA Impfstoffe). Im Beobachtungszeitraum war bereits die Delta-Variante die dominante Variante. Die Impfung bietet also auch vor der Delta-Variante einen sehr zuverlässigen Schutz. Darüber hinaus bezieht sich diese Impfwirksamkeit auf alle im EMS registrierten Fälle. Sprich selbst bei Berücksichtigung aller unsymptomatischer Fälle und jener mit nur leichten Symptomen ergibt sich ein hervorragender Impfschutz [7].
Um diesen graphisch darzustellen, hier noch einmal die Grafik 1 vom Anfang:
Anmerkungen & Einschränkungen
- Weiterführende Information zu Impfempfehlungen und Impfstoffen finden sich auf der FAQ-Seite des Robert-Koch-Institutes.
- Im EMS wird zwar zum Teil ein Schweregrad hinterlegt. Diese Informationen sind jedoch nicht aussagekräftig/genau genug, um verlässliche Auswertungen zu machen. Es gibt jedoch eine Ausnahme: falls die Person an/mit Covid stirbt wird dies mit einer relativ guten Qualität im System gespeichert. Anmerkung: Die AGES ist bemüht die Daten zum Schweregrad (nachträglich) zu erheben, diese Information ist jedoch nicht in diese Auswertung eingeflossen.
- Analysen zur Impfwirksamkeit werden üblicherweise gemacht für die Wirksamkeit gegen a) Infektion, b) symptomatische Erkrankung, c) Hospitalisierung, d) benötigt intensivmedizinische Betreuung, oder e) Tod. In vielen Ländern werden Daten für b) erhoben. Für a) sind systematische PCR-Screenings vordefinierter Gruppen notwendig (teuer und aufwendig). Die hier durchgeführte Analyse ist als eine Zwischenform von a) und b) zu verstehen.
- Um aussagekräftige und vergleichbare Ergebnisse zu bekommen, wurde der Zeitraum 1.9.2021 bis 31.10.2021 herangezogen. Der Grund: innerhalb dieses Beobachtungszeitraums ist einerseits die Impfquote annähernd unverändert geblieben und andererseits das Infektionsgeschehen sehr aktiv gewesen. Der Stichtag für die folgenden Daten ist der 31.10.2021.
- Um die Detail-Analyse überschaubar und einfacher verständlich zu halten, wurde nur auf mRNA-Impfstoffe fokussiert. Grund dafür ist, neben der unterschiedlichen Wirksamkeit, dass sich der Einsatz und die Impf-Empfehlungen bei den zwei anderen Impfstoffen signifikant geändert haben: De-Facto Stopp von AstraZeneca und dringende Empfehlung zur zweiten Impfung bei Johnson&Johnson. Daher wäre hier auch die Erhebung der notwendigen Daten deutlich komplizierter.
- Offizielle Daten zu Covid-19-Fallzahlen in den Krankenhäusern und auf Intensivstationen mit Informationen zum Impfstatus in Österreich sind leider nicht verfügbar (nicht systematisch erfasst), daher muss mit den EMS-Daten vorliebgenommen werden.
- Die Dunkelziffer ist in diesen Berechnungen nicht berücksichtigt. Da die Impfung vor (schweren) Symptomen schützt ist es wahrscheinlich, dass die Dunkelziffer unter geimpften Personen höher ist, weil eine (asymptomatische) Infektion nicht bemerkt wird. Außerdem ist mit einem Testbias bei Geimpften zu rechnen, da geimpfte Personen sich unter Umständen weniger oft testen. Gründe dafür sind etwa fehlende Notwendigkeit (bei 3G-Regelung) oder die andere Einstufung als Kontaktperson (K2 statt K1).
- Die (zusätzliche) Wirksamkeit von Booster-Impfungen wurde in dieser Analyse bewusst nicht berücksichtigt, um sie einfacher verständlich zu halten. Bis zur nominalen Wirksamkeit der Boosterimpfung vergehen nach Verabreichung 14 Tage. Unter Berücksichtigung dieser zweiwöchigen Verzögerung wurden bis zum Ende des Beobachtungszeitraumes (inkl. 31.10.2021) 197.650 verabreicht. Bei 4.458.920 mit mRNA-geimpften Personen entspricht dies einem Anteil von 4,4%.