Wegen aktueller Datenlage & Status der Bevölkerungsimmunisierung: Updates werden mit Erkenntnisreport abgeschlossen
Seit 1. März 2021 wurden in monatlichen Schritten insgesamt 18 Updates zu Schätzungen des Immunitätslevels berechnet und auf http://www.dexhelpp.at/de/immunisierungsgrad/ publiziert. In dieser Zeit wurde die Berechnung kontinuierlich weiterentwickelt und an die neuesten Gegebenheiten angepasst. Aufgrund der Kombination aus reduzierter Menge und Qualität von Daten und steigender Komplexität der Einflussfaktoren ist die Validierung einer Immunitätslevel-Schätzung für Österreich derzeit quantitativ nicht mehr sinnvoll. Daher schließen wir die öffentliche Aktualisierung mit einem Bericht der gesammelten Erfahrung ab. Auch die Grenzen solcher Modelle müssen transparent dargestellt werden. Qualitativ werden wir die Analyse weiter fortführen, um die Zusammenhänge für andere Modellnutzungen zu verstehen. Deren Limitierung werden wir im Weiteren analysieren.
Vergleich der drei Kalibrierungsvarianten aus dem Report. Dargestellt sind die resultierenden Immunitätslevels bei Kalibrierung über die Infektionen im agentenbasierten Modell (Oben), mit publizierten Kohortenstudien (Mitte) und via Reinfektionen im EMS (Unten).
zur Darstellung der Vergleich der Inzidenz der immunologisch naiven Kohorte (rot) und der Gesamtinzidenz (blau) über den Zeitverlauf. Das gemessene Immunitätslevel, welches sich aus dem Quotienten der beiden berechnet, kann dem unteren Plot entnommen werden.
Mit dem Immunitätslevel auf Bevölkerungsebene wurde Anfang 2021 eine definierte Größe eingeführt, die die Probleme des Begriffs der Immunität auf Individuen Ebene elegant umgeht und gleichzeitig zur Einschätzung des aktuellen inhärenten Drucks der Infektionskrankheit dient, da er sich direkt auf die effektive Reproduktionszahl auswirkt. Er ist eine daten- und modellbasierte Abschätzung der effektiven Immunisierung gegen Infektion und Erkrankung für die Gesamtbevölkerung und darf weder mit individueller Immunisierung, aber auch nicht mit rein datenbasierten Abschätzung der Gesamtzahl an Impfungen oder der gemessenen Infektionen verwechselt werden.
Dieser Wert war damals gleich bedeutsam wie heute, wenn auch aus anderem Grund: Im Jahr 2021 war er relevant zur Einordnung der Durchimpfungsrate, heute erhält er Relevanz über die Frage nach der temporären Immunisierung im Lichte von systemischen Einflussfaktoren wie Saisonalität und Immune-Escape Varianten aber auch strategischen Maßnahmen wie Masken. Ab Jänner 2022 wurde dann klar, dass es nicht nur einen Wert gibt, der berücksichtigt werden muss, sondern dass das Immunitätslevel stets abhängig von der Variante ist.
Zur Modellierung der Dynamik einer Epidemie – und damit auch zur Einordnung des laufenden Immunitätslevels – sind Zahlen zur Situation symptomatischer, aber auch asymptomatischer Infektionen notwendig. Die Datenqualität dieser Zahlen war bis Sommer 2022 in Österreich durch intensive Tests besser als im internationalen Vergleich. Seit April 2022 sinkt die Qualität der SARS-CoV-2 bzw. Covid-19 Surveillance durch die zurückgehende Testbereitschaft sowie durch eine Reduktion der aufgewendeten Ressourcen, vor allem, was den Detailgrad der Informationen zur Verbreitung des Virus betrifft.
Nicht invasive Systeme wie z.B. Abwassermonitoring können zwar ergänzend zur direkten Surveillance durch Tests beitragen, jedoch bilden sie beispielsweise die Dimensionen wie Alter oder Immunisierungsstatus nicht ab. Diese Änderungen steigern die Herausforderung für die Analyse der pandemischen Lage. Der Anteil der unentdeckt Genesenen „verfälschte“ zunehmend die offiziell immunologisch naive Referenzkohorte. Mit der Abwesenheit dieser direkten Validierungsstrategie mussten Konzepte geschaffen werden, wie plausible Schätzungen aufrechterhalten werden konnten.
Neben den verfügbaren Daten hat sich als zweite Herausforderung der Systemzustand, also das Zusammenwirken von (Kreuz-)Immunität, Immunitätsabnahme, Saisonalität und Virusprävalenz, in den letzten eineinhalb Jahren stark verändert und ist mittlerweile viel differenzierter zu betrachten als etwa zu Beginn der Pandemie. Damals war die Bevölkerung voll suszeptibel (also infizierbar) und es gab eine Variante von SARS-CoV-2 (zumindest wurde nicht weiter differenziert). Die derzeit dominanten Varianten Omikron BA.4 und 5 sind heuer nach Delta, BA.1 und BA.2 bereits die Varianten vier und fünf und mit BA.2.75.2, BA.2.9 und BJ.1 gibt es gleich drei weitere Kandidaten für einen Nachfolger noch im heurigen Herbst. Nach zweieinhalb Jahren besteht somit durch 5 Mio. bestätigten SARS-CoV-2 Fälle und 19 Mio. verabreichten Impfungen ein hochkomplexer und dynamischer Immunitätsstatus in der Bevölkerung.
Die modellbasierte Schätzung des Immunitätslevels wird somit abgeschlossen. Eine detaillierte Zusammenfassung der gesammelten Erfahrungen und Erkenntnisse steht hier als PDF heruntergeladen werden zur Verfügung. Qualitative Analysen und Modellierungen, sowie Sensitivitätsanalysen zur Ausbreitung von Varianten und der daraus resultierenden Immunisierung werden weiterhin durchgeführt und im Fall von neuen Erkenntnissen veröffentlicht.