Modellbasierte Analyse von Immunisierungslevel der Bevölkerung und dessen Bremseffekt auf effektive Reproduktionszahl wurde publiziert
Seit März 2021 findet man unter http://www.dexhelpp.at/de/immunisierungsgrad/ monatliche Updates zum Immunisierungsgrad der Bevölkerung gegen aktuelle SARS-CoV-2 Varianten. Diese Auswertung ist höchst relevant, denn sie vermittelt uns, wie hoch die natürliche Bremswirkung der immunisierten Menschen auf die Pandemie ist. Für die Ausbreitung der Krankheit wirken diese nämlich in Kontaktnetzwerken wie ein Wellenbrecher, da sich Infektionsketten nicht über sie hinweg fortpflanzen können. Liegt das Immunisierungslevel der Bevölkerung über einer gewissen Schranke, so kann sich das Virus nicht mehr genug ausbreiten, um einen Anstieg der Fälle zu verursachen – man spricht von Herdenschutz oder Herdenimmunität.
Doch auch schon bevor das Immunitätslevel die Marke der Herdenimmunität erreicht, gibt es deutliche Bremseffekte. In einer neuen Publikation in der Zeitschrift Scientific Reports haben wir uns mit dem Thema beschäftigt, wie sich diese Bremswirkung mithilfe von epidemiologischen Modellen quantifizieren lässt. Hierbei haben wir zwei Zugänge verglichen: Den klassischen SIR (Susceptible-Infectious-Recovered) Zugang mit Differentialgleichungen sowie den Individuen-basierten mit agentenbasierter Modellierung. Obwohl beide Methoden gut geeignet sind, um das Verhalten von Epidemien abzubilden, erhält man doch leicht unterschiedliche Ergebnisse.
Die Abbildung zeigt die Auswirkung eines geänderten initialen Immunitätslevels in der Bevölkerung. Aus Anschauungsgründen wurde die Epidemie mit einem stark vereinfachten Modell (klassisches SIR-Modell) und ohne jegliche Maßnahmen simuliert. Verglichen werden Szenarien mit einem Startniveau von 0, 7, 14,1 sowie 21,1 und 28,1 Prozent an immuner Bevölkerung. Die Abbildung links oben zeigt den Anteil der jeweils suszeptiblen Bevölkerung im Zeitverlauf, rechts oben ist die Prävalenz (Anzahl der aktuell aktiven Kranheitsfälle) abgebildet, links unten die Inzidenz (Neuinfektionen gesamt) und rechts unten die bestätigte Inzidenz (bestätigte Neuinfektionen).
Mithilfe dieser Studie haben wir herausgefunden, dass das bestehende Immunitätslevel im Februar 2021 von etwa 14.7% der Bevölkerung, welches damals primär durch Impfungen verursacht war, eine Bremswirkung von etwa 9% in Bezug auf die effektive Reproduktionszahl hatte. Dieser Effekt ist etwa dem einer moderaten Kontaktbeschränkungsmaßnahme oder dem eines groß angelegten Screenings mit Quarantäne gleichzusetzen, war jedoch längst nicht hoch genug, um eine Pandemiewelle zu stoppen.
Mit 1. Februar 2022 erreichte das Immunitätslevel eine Marke von etwa 65% was die effektive Reproduktionszahl immerhin bereits um etwa 58% drückt. Eine entsprechend starke (Einzel-)Maßnahme sucht man vergeblich. Diese massive Bremswirkung wird nun in Bälde dazu führen, dass die Omikron-Welle ohne zusätzliche Kotaktbeschränkungsmaßnahmen wieder zurückgehen wird.
Leider ist das Immunitätslevel der Bevölkerung immer nur eine Momentaufnahme. Denn neue Varianten, die Saisonalität und der mit der Zeit nachlassende Impf-/Genesungsschutzes lassen das Immunitätslevel der Bevölkerung kontinuierlich sinken. Damit das Level über den Sommer hinweg in den Herbst hinein hoch gehalten wird, sind daher entsprechend Nachimpfungen notwendig.
Hinweis (22.2.2022):
Das nächste Update des Immunisierungsgrades erfolgt Anfang kommender Woche (Anfang März) und kann hier eingesehen werden.