Chance und Herausforderung: In zwei Monaten sechs Millionen Dosen verimpfen

  • 27.04.2021
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Impfstoff für Massenimpfungen gesichert, hohe Impfgeschwindigkeit und Teilnahme notwendig

Mit den COVID-19 Impfungen ist es ist ähnlich wie beim Zug. Es dauert, bis sich die träge Maschine aus dem Stand in Bewegung setzt und beschleunigt. Doch dann geht es flott dahin. Nach den Anlaufschwierigkeiten beim Impfen, ist jetzt die Phase der Beschleunigung erreicht. Im laufenden 2.Quartal wird Österreich noch über 6 Millionen Impfdosen erhalten.

Zum Vergleich: Von Januar, dem Beginn der Impfung, bis Ende April werden in Österreich 3 Millionen Impfdosen verabreicht worden sein. Also 3 Millionen Impfungen in 4 Monaten, oder ca. 750.000 pro Monat. Im 2. Quartal, d.h. in den kommenden 2 Monaten bis Ende Juni, sollen die dazukommenden 6 Millionen Impfdosen möglichst schnell verabreicht werden. Das sind 3 Millionen pro Monat, was mehr als eine Vervierfachung des Tempos ist!

Um dieses ehrgeizige Tempo - von durchschnittlich 100.000 Impfungen pro Tag - zu erreichen und zu halten, bedarf es einer gewissen Anstrengung. Und zwar nicht von Seiten der Impflogistik, sondern auch von der Bevölkerung zur Teilnahme am Impfprogramm.

Impfplan ermöglicht deutlichen Effekt ab Juni

Ziel dieses Impfplan ist, dass bis Ende Juni alle Menschen über 65 Jahre, die das möchten, geimpt werden. Bei den Impfbaren (z.B. ohne Jugendliche unter 16 Jahre oder Schwangere) können dann etwa 65% geimpft sein (siehe News vom 15.4.2021). Dass damit auch sofort ein dämpfender Effekt auf die Neuinfektionen einhergehen wird stimmt zwar, das aktuelle Modell zeigt aber, dass man den Zeitverzug genau analysieren muss.

Denn es müssen folgende Faktoren berücksichtigt werden:

  1. Zwischen Mitte Mai und Mitte Juni ist bereits ein signifikanter Anteil des Impfstoffes für die - notwendige - 2. Impfung eingeplant.
  2. Der Impfschutz ist nicht sofort gegeben, sondern wird vom Körper nach der Impfung aufgebaut. Das dauert im Durchschnitt 10 Tage bis 3 Wochen.

Schließlich gibt es auch noch einen dritten, jedoch weniger starken Effekt: die Wirksamkeit der Impfung ist nicht 100%ig, sondern schwankt zwischen 75 und 95%. Um den Einfluss dieser Effekte genauer abschätzen zu können, wurde die hochgerechnete Impfprognose (samt Verzögerungseffekten, Impfterminen für die 2. Impfrunde, Wirksamkeit, etc.) in unser Simulationsmodell integriert. So kann der qualitative Einfluss* der steigenden Durchimpfung auf das “normale” Infektionsgeschehen berechnet werden.

Fazit:

  • Zu einem signifikanten Rückgang von R-eff durch das Impfprogramm wird es ab der zweiten Mai-Hälfte kommen (siehe Abb.4).
  • Bis Ende Juni werden, laut Studie, bereits 65% aller ÖsterreicherInnen immunisiert sein,
  • wobei 40 Prozent der Menschen durch die Impfung immunisiert sind und 25 durch eine überstandene COVID-19 Erkrankung (siehe Abb.2, sowie das entsprechende Forschungsprojekt)!
  • Der Anteil der schweren Verläufe (Menschen die intensivmedizinische Betreuung benötigen) sinkt bereits derzeit. Bis Ende Juni sollte sich lt. Modellrechnung der Anteil im Vergleich zum Jahresanfang halbieren.
  • Anmerkungen und Einschränkung zu den Studienergebnissen finden sich am Ende des Artikels.

Die Ergebnisse im Detail

Diese Berechnungen (siehe Abb.1) zeigen, dass von den etwa 25% Immunisierten in Österreich (Stand: 1. April) nur 7% auf die Impfung (dunkelblau) zurückzuführen waren. Während die große Mehrheit (etwa 18%) auf überstandene (diagnostizierte (hellblau) und undiagnostizierte) COVID-19 Erkrankungen zurückzuführen ist.

Abbildung eins: Ende April sind 25 Prozent der österreichischen Bevölkerung immunisiert, davon aber nur 7 Prozent aufgrund der Impfung - der Rest wegen einer überstandenen Infektion. Abb.1: Von den 25% Immunisierten in der österreichischen Bevölkerung Ende April entfallen nur 7% auf die Impfung (dunkelblau) - der Rest auf eine überstandene Infektion.

Basierend auf diesen Zahlen wurde eine qualitative Prognose berechnet (siehe Abb.2), welche das geplante Impfprogramm beinhaltet. Laut dieser Prognose steigt die Immunisierungsrate bis zum 15.5. auf etwa 45% an, wobei hier bereits die Hälfte auf das Konto der Impfung (dunkelblau) geht. Ab Im Mai kommt es dann aber zu einem kleinen “Höcker” in der Immunisierung, da hier viele Termine für die 2. Impfung fällig werden. Dadurch können weniger Erstimpfungen verabreicht werden (siehe Abb.3 für 1. und 2. Impfkurven).

Bis Ende Juni steigert sich der Anteil der Immunisierten dann auf 65% (40% aufgrund der Impfung, überstandene COVID-Erkrankung: 25%).

Abbildung zwei: Ende Juni sind bereits 65 Prozent der österreichischen Bevölkerung immunisiert, davon 40 Prozent aufgrund der Impfung und 25 Prozent wegen einer überstandenen Infektion. Abb.2: Ende Juni sind 65% der österreichischen Bevölkerung immunisiert. Mit 40% ein Großteil dank der Impfung (dunkelblau), der Rest wegen einer überstandenen Infektion.

Abbildung drei und vier geben einen detaillierteren Blick auf den Einfluss der Impfung auf das Infektionsgeschehen. In Abbildung drei wird klar ersichtlich, wie die Anzahl der Erstimpfungen (rote Linie) zwischen Mitte Mai und Mitte Juni “stagniert”. Der Grund ist die Verabreichung der notwendigen 2. Impfung innerhalb des vorgeschriebenen Zeitfensters. Entsprechend steigt in dieser Zeit der Anteil an Personen mit der 2. Impfung (blauen Linie) an. Nach dieser 2. Impfrunde steigt dann wieder die Geschwindigkeit der Erstimpfungen.

Aufgrund der Zweitimpfungen, und da der Impfschutz erst nach etwa 10-21 Tagen erreicht wird, werden Ende Juni 2021 “erst” 3,5 Millionen Menschen immunisiert sein. Trotz 9 Millionen verimpfter Dosen.

Abbildung drei: Zwischen Mitte Mai und Mitte Juni “stagniert” die Anzahl der Erstimpfungen (rote Linie) zugunsten der notwendigen Zweitimpfungen (blaue Linie) - und damit auch die Gesamtanzahl der Immunisierten (schwarze Linie). Abb.3: Zwischen Mitte Mai und Mitte Juni “stagniert” die Anzahl der Erstimpfungen (rote Linie) zugunsten der notwendigen Zweitimpfungen (blaue Linie) - und damit auch die Gesamtanzahl der Immunisierten (schwarze Linie).

Diese Zeitverzögerung des Impfeffektes auf das Infektionsgeschehen ist sehr deutlich in Abbildung 4 zu erkennen. Die Abbildung zeigt den dämpfenden Einfluss (qualitativ) der Massenimpfungen auf R-effektiv. Dabei ist zu beachten, dass die Abbildung nur die Dämpfung von R-eff und nicht den tatsächlichen R-Wert angibt!

Abbildung vier: Bis Ende April hat die Anzahl der geimpften Personen R-effektiv lediglich um 5% verkleinern können. Erst ab Ende Mai wird ein deutlicher senkender Einfluss der Impfung auf R-eff bemerkbar. Bis Ende Juni sollte R-eff um 20% reduziert sein, im Vergleich zu R-eff ohne Impfprogramm. Abb.4: Bis Ende April hat die Anzahl der geimpften Personen R-effektiv lediglich um 5% verkleinern können. Erst ab Ende Mai wird ein deutlicher senkender Einfluss der Impfung auf R-eff bemerkbar. Bis Ende Juni sollte R-eff um 20% reduziert sein, im Vergleich zu R-eff ohne Impfprogramm.

Die grüne Kurve beschreibt die Senkung von R-eff ausschließlich durch das Impfprogramm. Es ist klar erkennbar, dass die Impfungen bis Ende April einen geringen Einfluss auf R-eff haben. So fällt R-eff aktuell nur um 5% niedriger aus, als dies ohne Impfprogramm der Fall sein würde.

Ab der zweiten Mai-Hälfte wird ein deutlicher Einfluss des geplanten Impfprogrammes auf R-eff ersichtlich. In den folgenden eineinhalb Monaten bis Ende Juni wird R-eff dann um 20% reduziert (gegenüber der Situation ohne Impfung).

Die Impfmaschine ist jetzt am Beschleunigen, und der Weg noch nicht vorbei. Aber wenn die Logistik gut und die Impfbereitschaft hoch sind, dann können in den kommenden Monaten die Weichen für einen “ruhigen” Herbst 2021 gestellt werden.


*Qualitativer Einfluss:

Im Gegensatz zum quantitativen Einfluss (z.B. der konkreten Zahl an zu erwartenden Neuinfektionen) beschreibt der qualitative Einfluss Unterschiede oder Änderungen. In diesem Fall den Unterschied zwischen “Wie schaut das Impfgeschehen mit und ohne Impfung aus?”. Das Ergebnis ist also keine niet-und-nagelfeste Zahl, sondern eine Abschätzung der Größenordnung für den zu erwartenden Effekt.


Anmerkungen und Einschränkungen

Die Ergebnisse dieser Studie mithilfe eines agentenbasierten Simulationsmodells erarbeitet worden, womit die Aussagen mit üblichen Limitationen von Simulationsbasierten Experimenten verbunden sind. Zum einen wurden im Zuge der Modellierung Vereinfachungen getroffen. Für die Aussagen in dieser Studie sind speziell relevant:

  • Im Prognosemodell ist weder der Verlust der Immunisierung durch Zeit noch durch etwaige Mutationen inkludiert!
  • Die im Modell abgebildete Impfung führt zu sterilisierender Immunität. Das bedeutet, dass Geimpfte, bei denen die Impfung wirksam wurde, auch nicht mehr als Krankheitsüberträger fungieren können.
  • Die im Zeitbereich Mai/Juni verimpften Impfdosen sind Hochrechnungen aus den erwarteten Impflieferungen. Im Modell werden diese entsprechend dem nationalen Impfplan auf die jeweiligen Altersstufen verteilt.
  • Im Modell wird keine Hypothese zur Impfbereitschaft hinterlegt, sondern bis Ende Juni von einer vollständig impfbereiten Bevölkerung ausgegangen.
  • Das in Abbildung 2 hinterlegte epidemische Zukunftsszenario berücksichtigt einen saisonal bedingten Abfall der Fallzahlen und inkludiert keinerlei Hypothesen über einen möglichen Aufschwung nach Aufheben des aktuellen Lockdown Regimes.

Die in Abbildung 1 und 2 sichtbare Dunkelziffer der bisher Infizierten ist auf Basis der Dunkelzifferstudien von SORA und Statistik Austria parametrisiert und ist daher mit erhöhter Unsicherheit verbunden.

Des Weiteren sind die Studienergebnisse limitiert durch bekannte und unbekannte Unsicherheiten bei den Parametrisierungs- und Inputdaten. Das beinhaltet Einschränkungen in der Datenqualität, Verfügbarkeit und Vollständigkeit.